Koch, Musiker und Entertainer Nelson Müller vereint Welten
Er kocht und singt, serviert Currywurst und Jakobsmuscheln, nennt viele Orte seine Heimat. Er führt mehrere Restaurants und unterhält im Fernsehen Millionen von Zuschauern. Gekonnt balanciert Nelson Müller zwischen den Welten – und verbindet scheinbare Gegensätze. Mit seinem Liveprogramm „Soul Food“, bei dem er Showkochen und Soulmusik zusammenbringt, stellt er das sogar auf der Bühne unter Beweis.
Gastivo Magazin: Du bist seit Februar mit deinem Programm Soul Food auf Tour. Dabei kochst du aber nicht einfach nur live – Was erwartet die Zuschauer?
Nelson Müller: Die Idee war, meine beiden Leidenschaften zusammenzubringen: Gutes Essen und gute Musik, vornehmlich Soulmusik, und das Ganze auf die Bühne zu bringen. Da ich ohnehin oft mit der Band unterwegs bin, lag der Gedanke nahe. Wir haben beides vor vielen Jahren schon miteinander verbunden: showkochen, während eine Band auf der Bühne war. Daraus haben wir jetzt ein richtiges Programm gestrickt, das einen roten Faden hat und ineinandergreift.
Was bedeutet Kochen und Musik für dich persönlich, gerade in dieser Kombination?
Es ist beides sehr sinnlich und es sind wunderbare Dinge für die Seele und für den Körper. In der Brasserie Müllers auf der RÜ in Essen haben wir beispielsweise den Blue Monday: Dort essen die Gäste erst ein Menü und danach gibt es Livemusik. Das Essen macht satt und ist ein emotionales Erlebnis, das dann noch getoppt wird durch die Musik. Man kennt dieses Konzept aus dem New York der dreißiger Jahre, wo ein Jazzquartett oder eine Soulsängerin mitten im Restaurant standen und die Gäste dazu gegessen haben. Für mich ist das der absolute Genuss!
Musik und Kulinarik sind zwei Leidenschaften, die deine Vita geprägt haben. Konntest du beides schon immer miteinander verbinden?
Ich verbinde es nur, wenn es passt. Wichtig ist, dass das Essen an die Gäste kommt. Die Gastronomie ist für mich immer die Nummer eins und wenn die Musik irgendwie dazugeschaltet werden kann, ist das schön. Da setze ich ganz klare Prioritäten. Klar – manchmal würde ich gerne zu einem Konzert oder ins Musikstudio gehen, aber es fehlt die Zeit. Dann passt es eben nicht.
Warum steht die Gastronomie für dich an erster Stelle?
Das Kochen ist mein Hauptberuf, der mich ernährt. Meine Restaurants erfordern meine Energie und Kraft. Ich finde, da muss man schauen, dass das eine funktioniert und alles andere ist die Kür.
Du stehst für kulinarische Vielfalt: In deinen Restaurants gibt es sowohl Currywurst als auch Austern mit Champagner. Wie würdest du selbst deinen kulinarischen Stil beschreiben?
Da gibt es eine ganz klare Trennung zwischen dem Sternerestaurant Schote und den Brasseries. In den Brasseries – Müllers auf der Burg, Müllers auf der RÜ und Müllers auf Norderney – agieren wir ein bisschen freier. Dort gibt es vornehmlich deutsche, mediterrane und frankophile Klassiker, aber auch mal Street Food oder Fast Food – was nicht gleichzusetzen ist mit Junkfood!
Und was zeichnet die Küche der Schote aus?
In der Schote wird das nächste Menü zum Beispiel ein Ruhrgebietsmenü sein mit dem Titel „Alles, was gold ist – Ruhrpottlove“. Denn wir wollen den Pott auf dem Teller erlebbar machen. Das Ruhrgebiet ist geprägt von der westfälischen und rheinischen Küche, aber auch von den polnischen Gastarbeitern, von türkischen Mitmenschen, von Libanesen, von der bunten Menschenvielfalt und von der Untertage-Kultur. Das wollen wir alles einfließen lassen und kulinarische Geschichten erzählen.
Wir wollen Klassiker und internationale Küche miteinander verschmelzen, aber eben doch immer zurückkommen zur Heimat. Dabei muss Heimat nicht das Ruhrgebiet oder überhaupt ein Ort sein – viele Menschen haben hier im Ruhrgebiet Heimat gefunden, nennen aber gleichzeitig noch andere Orte auf der Welt ihre Heimat.
Der Begriff Heimat begegnet einem immer wieder, wenn man sich mit dir beschäftigt. Auch eines deiner Kochbücher heißt so. Warum spielt Heimat für dich und deine Arbeit eine so große Rolle?
Ich glaube, Heimat ist für jeden Menschen ein sehr wichtiger Begriff, weil er in so vielen Facetten erlebbar ist: die Heimat, wo man aufgewachsen ist, wo man geboren wurde, bis zur Heimat, wo man lebt, das Viertel, die Familie, die Freunde. Heimat hat für mich ganz viele Bedeutungen. Ich bin in Ghana geboren, dann nach Deutschland gekommen und habe auch in London und Rom gelebt.
Welche Bedeutung hat hier die Kulinarik?
Gute Kulinarik ist für mich eine Basiszutat von Heimat. Das ist der Herd, an dem wir aufwachsen, der uns nährt, an dem die Mutter gekocht hat. Heimat ist der Grund, warum ich Koch geworden bin. Weil dieses Gefühl von Heimatverbundenheit für mich ganz viel Kraft mitbringt: Dieses Gefühl, das Menschen für ihre Region haben, für die Natur, für die Bauern, für die Flora und Fauna. Das ist auch meine Sehnsucht, wenn ich nach Frankreich oder Italien, an die Mosel oder nach Norderney fahre. Es sind die Menschen, die dieses Gefühl hervorrufen, es sind deren Gerichte. Es ist vielleicht der Wein, es ist die Kultur, die zelebriert wird, die Geschichte und ganz viel Tradition. Das ist eine Energie, in die ich sehr gerne eintauche.
In deinen Kochbüchern findet man auch Gerichte mit saisonalen und regionalen Zutaten oder vegetarische Gerichte. Wie wichtig sind dir ökologische und ethische Fragen beim Kochen?
Ich glaube, dem kann man sich als guter Koch nicht entziehen. Denn für mich fängt das Kochen mit dem Einkauf an und ich finde, da hat man eine gewisse Verantwortung. Was möchte ich meinen Gästen anbieten: Fleisch aus Massentierhaltung? Oder hochwertiges Fleisch?
Oder etwas weniger Fleisch? Wir als Köche prägen sicherlich die Kulinarik und sind Botschafter. Vor dem Hintergrund ist es wichtig, zu schauen, mit wem man Partnerschaften schließt, was für Produkte man einkauft und wie man die Karte schreibt.
Nahrungsmittel und Essgewohnheiten hinterfragst du auch in deiner Sendung „Lebensmittelreport“ im ZDF. Warum ist dir dieses Thema so wichtig und was sollte sich hier deiner Meinung nach verändern?
Es ist durch Studien nachgewiesen, dass wir über die Ernährung unser Leben verlängern können. Ich glaube, wir erkennen noch zu selten, wie viel Impact das, was wir in uns aufnehmen, auf unsere körperliche und psychische Verfassung hat. Je mehr Einblicke man bekommt und je besser man weiß, wie Lebensmittel verarbeitet werden, desto besser kann man die eigene Ernährung steuern. Und es macht natürlich Spaß, dann mal zum Produzenten zu fahren, um beispielsweise herauszufinden, was ökologische Produktion und konventioneller Anbau eigentlich bedeutet. Welche Auswirkungen hat es auf das Produkt und auf unseren Körper?
Man hat dich bereits in TV-Sendungen wie „The Taste“, „Die Küchenschlacht“, natürlich in „Nelson Müllers Lebensmittelreport“ und sogar bei „The Masked Singer“ gesehen. Wie bist du eigentlich ins Fernsehen gekommen und warum bist du geblieben?
Meine ehemalige Managerin hat mich damals zu einem Casting für „Kerners Köche“ geschickt von Johannes B. Kerner. Und da haben sie mich genommen, das war 2017. Das Fernsehen ist ein wahnsinnig kraftvolles Medium: Im Restaurant sehen einen vielleicht 20 Gäste, im Fernsehen sind es Millionen. Das ist natürlich ein starker Multiplikator für die eigene Markenbildung. Außerdem ist Entertainment für mich eine Handwerkskunst wie Kochen: Es gibt verschiedene Techniken; Erfahrung, Fingerspitzengefühl und Timing spielen eine große Rolle. Das finde ich total spannend.
Wie schaffst du den Ausgleich zwischen TV-Karriere und Gastronomiealltag?
Das ist immer ein Balanceakt, denn die Gastronomie verlangt eine gewisse Präsenz.
Es geht um den Geist, den man als Unternehmer in sein Restaurant trägt und den die Gäste auch spüren wollen. Glücklicherweise bin ich recht häufig vor Ort. Man muss schauen, dass man das richtige Maß findet – oder eben gute Mitarbeiter hat, die einem den Rücken freihalten. Und die habe ich zum Glück. Dann ist es letztlich ein Zusammenspiel aus Teamarbeit und Ritualen, die das Restaurant ausmachen; Rituale, die charakteristisch sind für ein Restaurant und die seinen Geist und seine DNA auch weitertragen, wenn ich mal nicht da bin.
Wirst du als Koch anders wahrgenommen, weil du auch Entertainer bist?
Es kann gut sein, dass die Leute denken: Wenn er so viel im Fernsehen ist, dann wird es mit dem Kochen nicht weit her sein. Klar ist es eine Herausforderung, den Anschluss nicht zu verlieren und zu schauen, dass man handwerklich auf der Höhe bleibt. Auf der anderen Seite verlernt man Kochen nicht so schnell – die Rezepturen sind da, die Techniken sind da. Und ob ich morgen einen Macaron machen kann, ist vielleicht nicht ganz so wichtig. Wichtiger ist, dass ich als Unternehmer mein gesamtes Markenportfolio nach vorne bringe. Für die Macarons habe ich einen sehr guten Patissier, der das im Zweifel ohnehin besser kann als ich. Ich glaube nicht, dass es Aufgabe eines Unternehmers ist, alles selber am besten zu können.
Begreifst du dich eher als Unternehmer denn als Koch?
Ich bin mehr Unternehmer als Handwerker. Aber Kochen ist, was ich gelernt habe, und das ist nach wie vor sehr präsent. Ich finde, wenn du ein Gericht anschaust, kannst du die Qualität nur als Handwerker beurteilen: Geschmack, Aussehen, Konsistenz. Das heißt aber nicht, dass du den Teller von der Pike auf gekocht haben musst.
Was möchtest du als Unternehmer der Branche abschließend mitgeben?
Für mich ist die Gastronomie nach wie vor eine der schönsten Branchen, in der man arbeiten kann. Trotzdem glaube ich, dass wir uns modernisieren müssen, out-of-the-box denken, neue Wege gehen und mutig sein müssen. Mein Rat ist, alles zu nutzen, was sich einem so bietet, sich zu diversifizieren und zur Marke zu machen.
Herzlichen Dank für das Interview!
Interview: Emmelie Ödén
Vita Nelson Müller:
In Nelson Müllers Biografie zeichnet sich schon früh ab, dass er in vielen Welten zuhause ist: 1979 in Ghana geboren, wächst er in einer deutschen Pflegefamilie im Schwabenland auf.
Mit 17 beginnt er eine Kochlehre in Stuttgart und beendet diese auf Sylt bei Holger Bodendorf im Restaurant Veneto. Ein Angebot von Henri Bach, im Hotel Résidence zu arbeiten, zieht ihn später in seine heutige Wahlheimat Essen. 2009 eröffnet er dort sein erstes Lokal, das Relais & Châteaux Restaurant Schote, das 2011 den ersten Michelin-Stern erhält.
Es folgen die Müller Brasseries in Essen, Geisenheim und auf Norderney, die stärker auf Casual Dining setzen. Mit TV-Auftritten von „Kerners Köche“ bis zu „The Taste“ und seiner eigenen Sendung „Nelson Müllers Lebensmittelreport“ stärkt er seine Marke. Daneben zählen Catering, Kochkurse und ein Onlineshop mit eigenen Produkten zum Müller-Universum – und natürlich die Musik, die immer wieder Platz auch in der kulinarischen Welt von Nelson Müller findet.
Nelson Müller und die Musik:
Als Sänger, Instrumentalist und Komponist schlägt Nelson Müllers Herz nicht nur für die Kulinarik. Er produziert schon als Jugendlicher eigene Beats, spielt im Laufe seines Lebens in verschiedenen Bands und tritt unter anderem mit Eko Fresh, Aloe Blacc und The Pharcyde auf. Am Blue Monday in der Schote kombiniert Müller diese beiden Leidenschaften miteinander: erst ein Menü, dann Livemusik. Dass diese Idee auch im größeren Stil funktioniert, zeigte er nun mit seinem Programm „Soul Food“, mit dem er von Februar bis Mai 2024 in 12 deutschen Städten aufgetreten ist. Showkochen und Live-Soulmusik verfließen auf der Bühne miteinander. „Beides, Essen und Musik, hat die Kraft, ein warmes, weiches Gefühl von Heimat zu erzeugen“, sagt Müller über die Live-Show.