Interviews

Die exzellente Vielfalt der JRE

Im Interview mit Andreas Widmann, Vizepräsident der JRE, der sich besonders für Aus- und Weiterbildung engagiert.

 

Gastivo: Herr Widmann, warum sind Sie Mitglied der JRE geworden? 

Andreas Widmann: Die JRE steht für Spitzengastronomie in Deutschland. Ich wollte schon sehr lange dazugehören, bereits als Jugendlicher habe ich von meinen Eltern Kochbücher der JRE bekommen. Ich war schon immer von der Spitzengastronomie fasziniert. Meine Eltern haben mir qualitativ hochwertige Gastronomie vorgelebt, die ich Stück für Stück weiterentwickeln wollte. Und ich hatte mir vorgenommen, Widmann’s Alb weiterzuentwickeln, sobald ich es von meinen Eltern übernehme. 

 

Sie wollten Gourmetkoch werden? 

Richtig. Außerdem hat mich der unternehmerische Aspekt der Vereinigung gereizt. Denn die JRE steht für selbstständige Restaurateure und Küchenchefs in Führungspositionen. 

 

Sie sind Vizepräsident der Vereinigung, was bedeutet Ihnen dieser Titel? 

Dass die anderen Mitglieder mir dieses Vertrauen entgegenbringen, macht mich natürlich stolz. Zumal ich diese Rolle bereits das zweite Mal übernehmen darf. 2018 wurde ich aufgenommen, bin bereits im Frühjahr 2020 in den Vorstand gekommen. Es ist eine schöne Aufgabe, die mir viel Spaß bringt. Aber sie bringt natürlich auch Arbeit mit sich. 

 

Welche Themen sind Ihnen als Vizepräsident besonders wichtig? 

Als junger Chef liegen mir Aus- und Weiterbildung besonders am Herzen. Eine Vereinigung wie die JRE muss der Vorreiter sein, da wir die jungen Spitzenköche Deutschlands sind. 

 

Warum legen Sie viel Wert auf die Ausbildung? 

Heutzutage geht es nicht mehr nur darum, wer das beste Essen zubereitet. Sondern auch darum, was einen guten Arbeitgeber und einen Koch der Zukunft ausmacht. Das Thema Fachkräftemangel ist in der Gastronomie groß. Daher ist es besonders wichtig, dass wir die Rahmenbedingungen der Branche verbessern – für unsere Mitarbeiter, aber auch für uns Unternehmer. Ich habe aktuell 18 Köchinnen und Köche. Die kann ich nur halten, wenn das Betriebsklima positiv bleibt und sie sich wohlfühlen. 

 

Was ist das Besondere einer Ausbildung in einem JRE-Betrieb? 

Wir haben mit der Ausbildung neue Maßstäbe gesetzt: Die JRE hat eine eigene Berufsschulklasse, eine Digitalakademie und einen Azubitag, bei dem die Auszubildenden die Küche eines anderen JRE-Mitgliedes besuchen. Außerdem gibt es eine Zusatzausbildung mit dem Genusshandwerk, bei der jeder Lehrling 18 Seminare von JRE-Chefs besucht. Und wir haben ein neues Programm, die Senior Masterclasses. Dabei geben Membres d’Honneur, also ehemalige JRE-Mitglieder, unseren Mitarbeitern Seminare. Unser Ziel ist es, mehr Menschen für die Branche zu begeistern und so für mehr Vielfalt zu sorgen. 

 

Was macht die Vielfalt der JRE aus? 

Die Betriebe sind ein Spiegel der Branche: Gastronomie ist bunt und vielfältig. Die JRE-Mitglieder sind ein bunter Haufen, der quer über das Land verteilt ist. Wir haben sehr unterschiedliche Gastronomiekonzepte, mit vielen unterschiedlichen Einflüssen. Dadurch wird die Vereinigung umso spannender. 

 

Inwiefern? 

Es gibt kleine Top-Restaurants, wie das Mural in München oder das Zeik in Hamburg, die moderne und angesagte Konzepte verfolgen, ohne dabei Qualität einzubüßen. Daneben sind auch große Familienbetriebe wie der Spielweg Teil der JRE. Das Spannende ist, dass jeder ein eigenes Konzept hat und die Köchinnen und Köche komplett verschieden sind. Aber wenn wir zusammenkommen, merken wir, dass uns die Gastronomie vereint. 

Wird bei der Aufnahme explizit darauf geachtet, dass ein Restaurant zu der Vielfalt beiträgt? 

Nein, das geschieht automatisch. Es geht bei den Jeunes Restaurateurs nicht um Konzepte, sondern um Qualität. Wir sagen nicht, ‘Oh, uns fehlt noch ein mediterranes Restaurant, da nehmen wir jetzt das erste, das sich bewirbt. ’ 

 

Was verbindet alle Mitglieder? 

Was uns alle vereint, ist die Leidenschaft für die Spitzengastronomie. Alle Mitglieder sind Experten auf ihrem Gebiet. Und egal, in welchem Betrieb ich zu Gast war, überall habe ich ein enorm hohes Niveau erfahren. Außerdem wird in JRE-Betrieben ein besonderes Augenmerk auf Gastfreundschaft und Herzlichkeit gelegt. Auch der Austausch untereinander ist beeindruckend. 

 

Was ist das Besondere an dem Austausch? 

Die Offenheit. Einen derart ehrlichen und konstruktiven Austausch, wie wir ihn untereinander pflegen, kenne ich sonst nicht. Da wir alle entweder selbstständig oder in Führungspositionen sind, sind wir auch Unternehmer. Da tut es gut, mit Gleichgesinnten über Probleme oder Erfolge zu sprechen. Besonders während Corona hat die Vereinigung den Mitgliedern viel unter die Arme gegriffen, und der Austausch hat geholfen. Beispielsweise, als es um die Themen Hygienekonzepte oder Hilfe während der Lockdowns ging. 

 

Gibt es auch weniger ernste Momente? 

Natürlich, es entstehen auch enge Freundschaften zwischen den Mitgliedern. Ein Moment, der mir im Kopf geblieben ist, war letztes Jahr bei der Vorstandsversammlung am Tegernsee. Abends haben alle gemeinsam gefeiert, es gab eine Band und die Stimmung war super. Und plötzlich hat unser Ehrenpräsident Harald Rüssel sich an das Schlagzeug gesetzt und gespielt. 

 

Kommt es vor, dass jemand aus der Vereinigung austritt?

Wenn man mal JRE-Mitglied ist, ist man es fast immer ein Leben lang. Austreten kann man natürlich auch, beispielsweise wenn es einen Konzeptwechsel weg von Spitzengastronomie gibt. Wenn das JRE-Logo an der Tür hängt, erwartet der Gast eine hohe Qualität. Die müssen die Gastronomen natürlich erfüllen. 

 

Worin unterscheidet sich Widmann’s Alb von anderen JRE-Mitgliedern? 

Wir haben eine klare Ausrichtung auf regionale, schwäbische Küche, in unserem Gourmetrestaurant, noch stärker als in unserem Gasthaus. Außerdem sind wir ein sehr breit aufgestellter Betrieb: Wir haben ein Gasthaus mit 120 Sitzplätzen, ein Hotel, einen Cateringservice, eine Kochschule, einen Feinkosthandel. 

 

Herr Widmann, vielen Dank für das Gespräch! 

 

Interview: Gesche Peters 

Alexander Huber  
44 Jahre, Inhaber des Huberwirts in Pleiskirchen und ehemaliger Präsident der JRE 

„Mir liegt das Kochen im Blut. Ich bin im Wirtshaus aufgewachsen und habe dort tagtäglich den Küchenalltag erlebt. Seit 400 Jahren ist unser Gasthaus in Familienbesitz – diese Tradition wollte ich gern weiterführen. Ich gehe auch jetzt noch jeden Tag gerne in die Küche und freue mich auf das, was mich erwartet. Meine Mitgliedschaft bei den JRE war für uns der Startschuss in die gehobene Gastronomie. Unser Wirtshaus war zwar schon länger bekannt und beliebt in der Region. Aber dass wir einen Michelin-Stern bekommen und regelmäßig in Restaurantführern wie dem Feinschmecker erwähnt werden, habe ich durch die JRE erreicht. 

Ich habe die Jeunes Restaurateurs schon früh verfolgt, bin allerdings eher auf ungewöhnliche Art Mitglied geworden. Mein Trauzeuge ist ein Jeune aus Österreich, Andreas Döllerer. Er hat mich den JRE in Österreich vorgeschlagen, weil wir doch sehr nahe an der Grenze liegen. Letztendlich bin ich aber über einen anderen Freund, Anton Schmaus, Mitglied der JRE Deutschland geworden. Was mir an den JRE besonders gefällt, ist der Fokus auf vielfältige und innovative Küche. Um damit mehr zu experimentieren, haben wir das Genusslabor ins Leben gerufen, einen Workshop bei dem sich einige Mitglieder treffen und mit neuen Zutaten und Gerichten experimentieren. Ich selbst koche aktuell gern vegetarische Gerichte. 

Ein weiterer großer Vorteil der Jeunes Restaurateurs ist die sensationell gute Ausbildung. Es ist aktuell schwierig, gut ausgebildete Mitarbeiter in der Gastronomie zu finden, umso wichtiger ist es für uns, den Nachwuchs auszubilden." 

Viktoria Fuchs  
32 Jahre, leitet das Restaurant Spielweg im Schwarzwald in sechster Generation 

„Die Jeunes Restaurateurs hatten schon immer einen hohen Stellenwert im Spielweg, schließlich war mein Vater eines der Gründungsmitglieder und eines der ersten Treffen hat bei uns im Restaurant stattgefunden. Im Sommer veranstalten wir jedes Jahr Familientagungen, dort bin ich als Kind immer wieder in Berührung mit der JRE gekommen. Dadurch bin ich mit der Vereinigung großgeworden und kenne viele Jeunes bereits seit Jahrzehnten. Da mir der Austausch gut gefallen hat, wusste ich schon früh, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters treten und Mitglied der JRE werden wollte. Wenn man Fragen hat oder Hilfe braucht, hat man immer eine Art Familie in der Gastrowelt um sich herum.

Die Betriebe verbinden vor allem die Werte, der Fokus auf qualitativ hochwertige Zutaten und gemeinsames Arbeiten. Aber die Vereinigung ist auch sehr vielfältig, sowohl was die Größe der Gastronomien angeht als auch die Kochstile. Wir verbinden beispielsweise traditionelle Schwarzwaldküche mit asiatischen Einflüssen, andere legen den Fokus auf Fisch oder vegetarische Gerichte. Das macht den Austausch für mich besonders wertvoll. 

Ich bin jetzt die sechste Generation der Familie Fuchs im Spielweg und die zweite Generation bei den Jeunes Restaurateurs. Ich sage immer scherzhaft: Ich bin Köchin geworden, weil ich nichts anderes kann. Ich liebe hochwertige Zutaten und ich mag es sehr, mit Menschen zu arbeiten. Die Küche ist für mich ein magischer Ort, an dem viele Dinge vereint sind: soziale Interaktion, stressige Situationen und tolle Gerichte." 

Daniel Schmidthaler 
42 Jahre, leitet zusammen mit seiner Frau das Hotel Alte Schule Fürstenhagen 

„Die Mitgliedschaft in der JRE war für mich ein großer Gewinn, denn wir sind ein kleiner Betrieb, der etwas abseits liegt. Außerdem hatte ich als gebürtiger Österreicher auch kaum Kontakt zu Köchen in der Nähe. Mir fehlte der Austausch mit anderen Gleichgesinnten. 

Was mir besonders gefällt, ist die Offenheit, mit der die JRE-Mitglieder kommunizieren – egal ob es um Umsätze oder Strategien geht. Und die Passion für hochwertiges Essen und Gästebewirtung, die uns alle verbindet. Trotzdem gibt es natürlich große Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern, was es so spannend macht, andere Betriebe zu besuchen. 

Was uns von den anderen Häusern unterscheidet, ist, dass es keine Menükarte gibt. Stattdessen fragen wir nur, wie viele Gänge ein Gast möchte und ob er Unverträglichkeiten hat. Dadurch sind unsere Menüs immer anders und immer überraschend. Dass ich innovativ koche, habe ich schon bei meiner Aufnahme in die Vereinigung bewiesen. Die Neuzugänge sollten damals für die Mitglieder kochen. Statt Hummer und Kaviar, wie es sonst bei einem Gala-Dinner üblich ist, habe ich mich für einen vegetarischen Gang entschieden: Schwarzwurzel mit Nussbutter und Kresse." 

Protokolliert von Gescha Peters

Exzellente Vielfalt
Andreas Widmann ist Vizepräsident der Jeunes Restaurateurs (JRE) Deutschland. Er führt Haus Wildmann's Alb.leben in Königsbronn bereits in 9.Generation. Seine Ausbildung absolvierte er bei Michael Oettinger in Fellbach-Schmiden und machte anschließend Station im Restaurant Atelier bei Steffen Mezger. Nach einiger Zeit in Neuseeland ist er 2015 in den elterlichen Betrieb zurückgekehrt. Seit 2018 ist er Mitglied der JRE.