Interviews

Branche der Chancen

Im Gespräch mit Markus Suchert, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie.

 

Ein Drittel des Umsatzes der Gastrobranche geht auf das Konto der Systemgastronomie. Für den Erhalt dieser starken Position setzt sich der BdS ein. Markus Suchert erklärt, wie der Verband den aktuellen Herausforderungen begegnet und was die Individualgastronomie von den Systemern lernen kann. 

Seit dem 1. April ist Markus Suchert neuer Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Systemgastronomie (BdS). Seine Mission: die BdS-Mitglieder als Marktteilnehmer und Arbeitgeber stärken. Der BdS ist das Sprachrohr der vielfältigen Systemgastronomie in Deutschland und vertritt sie gegenüber Politik, Medien und Gewerkschaften. Darüber hinaus suchen die Mitgliedsunternehmen gemeinsam Lösungen für drängende Probleme wie steigende Kosten, Personalmangel oder rechtliche Herausforderungen. Rund vier Millionen Gäste begrüßen allein die BdS-Mitgliedsrestaurants jeden Tag und jeder dritte Euro in der Gastronomie wird in Restaurants der Systemgastronomie ausgegeben – das macht sie so bedeutsam, nicht nur innerhalb der Branche, sondern in der Gesamtwirtschaft. 

 

Gastivo: Lieber Markus Suchert, was können Branche und Verband von Ihnen als neuem Hauptgeschäftsführer erwarten? 

Markus Suchert: Mein Ziel ist es, den BdS zukunftsorientiert weiterzuführen und als starke Stimme der Systemgastronomie in Politik und Öffentlichkeit noch wirksamer zu etablieren. Steigende Energie- und Lebensmittelkosten, Mehrwegangebotspflicht, Arbeitskräftesicherung sowie das drohende Auslaufen des reduzierten Mehrwertsteuersatzes sind nur einige der Themen, die die ganze Branche beschäftigen. Ich möchte meine Expertise und auch meine politischen Kontakte in Berlin nutzen, um dabei mitzuhelfen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der BdS-Mitglieder erhalten bleibt und sie weiterhin als fairer, krisensicherer und verantwortungsvoller Arbeitgeber wahrgenommen werden. Denn genau dafür stehen der BdS und seine Mitglieder mit ihrem klaren Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und der hundertprozentigen Tarifbindung. 

 

Stichwort steigende Preise: Wie kann die Systemgastronomie diesen begegnen? 

Das ist eine der aktuell schwierigsten Herausforderungen, das Kostenniveau einerseits nicht weiter steigen zu lassen und gleichzeitig die Preise für unsere Gäste möglichst stabil zu halten. Wir wollen unseren Gästen natürlich weiterhin qualitative, bezahlbare Speisen bieten. Ein Hebel ist sicher, die Produktivität zu steigern, beispielsweise durch permanente Weiterbildung und Prozessoptimierungen. Durch langfristige Lieferverträge versuchen unsere Mitgliedsunternehmen, die Einkaufspreise zuverlässig zu kalkulieren. Erfreulich ist, dass die Systemgastronomie bei Gästen nach wie vor gefragt ist: 2022 konnte sie sich über 17 Prozent mehr Besuche als im Vorjahr freuen. 

 

Was kann die Individualgastronomie hier von der Systemgastronomie lernen? 

Dank der systematisierten Arbeitsabläufe und Prozesse können die Restaurants der Systemgastronomie einfacher planen – ob beim Wareneinsatz oder beim Personal. Und das hilft natürlich dabei, Kosten zu sparen. Eine Vereinheitlichung bedeutet immer auch Arbeitserleichterung. Ein großer Vorteil der Systemgastronomie ist außerdem, dass sie schnell agieren und reagieren kann.

Sie ist gewissermaßen immer am Puls der Zeit, weiß, was die Kunden wünschen, und kann Trends im großen Stil umsetzen. Unsere Mitgliedsunternehmen sind sehr innovationsfreudig, sie lancieren viele Produktneuheiten und beobachten genau, wie diese bei den Gästen ankommen.  

Gilt das auch andersherum – was schauen sich Systemer gerne aus der Individualgastronomie ab? 

Klar können auch Systemer von der Individualgastronomie und allgemein von anderen Branchen lernen. Die Individualgastronomie hat in den vergangenen Jahren beispielsweise viel dafür getan, individuelle Gästetrends auf die Speisekarte zu heben, denken Sie nur an Bowls oder veganes Essen. Diese Vielfalt ist seit einiger Zeit auch in der Systemgastronomie angekommen. 

 

Was tun der BdS und seine Mitglieder, um das ständig gegenwärtige Personalproblem zu lösen? Haben Sie auch hier Vorteile gegenüber den Einzelgastronomen? 

Die BdS-Mitgliedsrestaurants sind zwingend an die Branchentarifverträge der Systemgastronomie gebunden. Für das Personal bedeutet dies: nachvollziehbare und faire Vergütung mit attraktiven Sonderleistungen. Während der Corona-Krise haben wir zudem sehr früh mit unserem Sozialpartner, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), eine tarifvertragliche Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit in der Systemgastronomie abgeschlossen. Das war wichtig, um die Arbeitsplätze zu sichern. Nach der Corona-Krise konnte die Systemgastronomie also wieder direkt auf ihre erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugreifen und musste nicht erst mühsam neues Personal rekrutieren. 

 

Welche Rolle spielt dabei der Nachwuchs? 

Vor allem die mittelständisch geprägten Mitgliedsunternehmen des BdS investieren viel in die Nachwuchskräfte und bilden jährlich rund 2.500 Menschen aus. Mit einem Anstieg von 18 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 haben die Ausbildungen zu Fachmann/-frau für Systemgastronomie fast wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht – im Gegensatz zu den Ausbildungsberufen in der Gastronomie allgemein. Ich denke, dass auch Ausbildungsmeisterschaften wie der Teamcup der Systemgastronomie dazu beitragen, die Attraktivität der Ausbildung und das Interesse für die Branche zu erhöhen. Der letzte Teamcup im März war für die rund 100 Teilnehmenden ein richtiger Motivationsschub! 

Die Gastronomie allgemein ist zudem bekannt für ihre außergewöhnlichen Aufstiegs- und Entwicklungschancen. Können Sie das auch für die Systemgastronomie bestätigen? 

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Restaurantmitarbeitende zum Filialleiter oder zur Filialleiterin aufsteigen. Nicht umsonst gilt die Systemgastronomie als Branche der Chancen. Mit Beschäftigten aus über 125 Nationen wird sie zurecht auch als „Integrationsweltmeister“ bezeichnet. Wir haben viel dafür getan, um zum Beispiel Migranten und Migrantinnen eine Chance zu geben. 2015 hat der BdS als erster Verband überhaupt einen Leitfaden zur Beschäftigung und Ausbildung von Asylbewerbern und Geflüchteten erarbeitet. 

 

Wie weit sehen Sie die Digitalisierung bei Ihren Mitgliedern fortgeschritten? 

Unsere Branche hat in den vergangenen Jahren erheblich in die Digitalisierung investiert, in vielen Unternehmen gibt es extra Digitalisierungsexperten. Manche Mitgliedsunternehmen haben es zum Beispiel den Gästen durch digitale Entwicklungen ermöglicht, noch einfacher und schneller ihre Speisen zu bestellen, sodass das Essen „just in time“ zubereitet wird. Außerdem führen Unternehmen verstärkt Technologien zur Automatisierung von Arbeitsabläufen ein und nutzen digitale Tools, um den Personal- und Wareneinsatz zu optimieren. Letztlich geht es darum, dass Digitalisierung Mitarbeiter entlastet und das Gästeerlebnis verbessert. 

 

Welche Vorteile haben Unternehmen durch die Mitgliedschaft im BdS? 

Systemer, die dem BdS beitreten, profitieren in vielerlei Hinsicht. Sie erhalten etwa eine praxisnahe Beratung in arbeits- und tarifrechtlichen sowie in sozial- und wirtschaftspolitischen Angelegenheiten. Sie können sich bei BdS-Veranstaltungen mit anderen Unternehmen austauschen und erhalten Gelegenheit zur Teilnahme an genau auf die Systemgastronomie zugeschnittenen Seminaren. Wichtig zu wissen ist, dass bei uns alle Mitglieder zwingend tarifgebunden sind und sich unserer Wertecharta verpflichten. 

 

Was gefällt Ihnen persönlich besonders am Verband? Wofür schlägt Ihr Herz? 

Wir sind beim BdS eine echte Gemeinschaft. Alle Beteiligten in der Geschäftsstelle, das Präsidium, die Mitgliedsunternehmen und Fördermitglieder machen sich gemeinsam für die Belange der Branche stark und vertreten diese sowie das gemeinsame Wertegerüst zusammen in Politik und Öffentlichkeit. Multiple Krisen, wie wir sie zurzeit erleben, können wir nur durch gemeinsame Anstrengungen meistern. 

Interview: Emmelie Öden

Branche der Chancen
Mit Markus Suchert hat der BdS einen Juristen als neuen Hauptgeschäftsführer gewonnen, der jede Menge Expertise aus der Verbandsarbeit und der Politik mitbringt. Nach seinem Referendariat und zweiten Staatsexamen verschlug es Suchert ins politische Berlin: Als Referent für Arbeit und Soziales war er im Deutschen Bundestag tätig. Daran anschließend leitete er das Referat Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht Logistik beim Bundesverband Spedition und Logistik e.V. Ab 2017 war der 42-Jährige zudem Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband Spedition und Logistik und ab März 2020 stellvertretender Vorsitzender des Vorstands des Versorgungswerks der Verkehrswirtschaft e.V. – MobilitätsRente
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